Fotografieren mit alten Kameras und wieso ich mir das antue
June 21, 2025Fotografieren mit alten Kameras
Warum ich mir das (immer wieder) antue
Kein Autofokus, kein Bildstabilisator, ein ungenauer oder
nicht vorhandener Belichtungsmesser, der Film muss umständlich eingelegt
werden, und die Empfindlichkeit steht fest – ISO 400 bleibt ISO 400. Die
Verschlusszeiten sind häufig so ungenau, dass man eher schätzt als misst. Und
dennoch: Das Fotografieren mit alten Kameras hat für mich einen besonderen
Reiz.
Technik, die begeistert – oder doch nicht?
Neulich war ich mit einer Nikon F50 unterwegs – eine
vergleichsweise moderne analoge Kamera aus den 90ern. Autofokus, automatischer
Filmtransport, automatische ISO-Erkennung, Verschlusszeiten bis 1/2000 s und ein funktionierender
Belichtungsmesser – alles da. Und ja, das Fotografieren
war einfach, schnell, unkompliziert. Ein Bild pro Sekunde? Kein Problem.Doch je
länger ich damit fotografierte, desto mehr verblasste der Reiz. Draufhalten,
auslösen, fertig. Klar, das Resultat ist ein analoges Foto – aber das
handwerkliche, das bewusste Fotografieren, der Prozess dahinter, trat in den
Hintergrund.
Was wirklich zählt
Mit meinen alten Kameras gehe ich anders vor. Ich beobachte
das Licht, suche nach Spiegelungen, Schatten, Kontrasten. Ich komponiere
sorgfältig: Perspektiven, Linien, Fluchtpunkte. Ich stelle mir das Bild schon
in Schwarzweiß vor. Dann wähle ich Objektiv, Blende, Verschlusszeit – und
überlege weiter. Vielleicht baue ich ein Stativ auf. Irgendwann drücke ich den
Auslöser – ein kurzer, befriedigender Moment. Klick-Klack. Das war’s.
Keine Rücknahme möglich.
Natürlich könnte ich das auch mit der Nikon F50 so machen.
Aber tue ich es auch? Es ist nicht nur der Prozess selbst, sondern auch das
Gefühl dabei: Der manuelle Filmtransport, das Spannen des Verschlusses – es
beginnt wieder von vorn. Vielleicht hat sich das Licht inzwischen verändert,
vielleicht die Szene. Jeder Auslösemoment ist eine bewusste Entscheidung unter
veränderten Bedingungen.
Großformatfotograf*innen würden darüber wohl nur müde
lächeln. Dort ist der Aufwand noch größer, noch langsamer – aber eben auch
konzentrierter.
Fehler inklusive
Natürlich ist das Ganze nicht romantisch zu verklären: Alte
Kameras sind fehleranfällig. Verschlusszeiten stimmen oft nicht, manchmal wird
der Film nicht transportiert oder gar nicht belichtet. Lichtlecks machen Bilder
unbrauchbar. Ein funktionierender Autofokus wäre manchmal Gold wert. Die
Reparatur der alten Geräte ist teuer und dauert oft Monate – wenn sie überhaupt
möglich ist.
Warum ich trotzdem bleibe
Meine Leica III ist eine der schönsten Kameras, die ich je
benutzt habe – schon mein Großvater hat mit ihr fotografiert. Leider ist das
Sucherfenster so klein und dunkel, dass Scharfstellen oft kaum möglich ist.
Aber das Objektiv hat einen Look, den keine moderne Linse ersetzen kann – also
nehme ich die Einschränkungen in Kauf.
Ja, ich überlege, mir eine Nikon F100 zuzulegen. Sie behebt
viele der Probleme. Aber: Würden meine Bilder besser? Würde mir das
Fotografieren mehr Freude bereiten? Ich glaube nicht. Wenn es wirklich darauf
ankommt – auf den Moment, das Licht, das Bild – greife ich wieder zu meinen
alten Kameras. Und genieße den konzentrierten Prozess und den besonderen Look,
den nur sie erzeugen.
Fazit
So unbequem es manchmal ist – ich greife trotzdem immer
wieder zu den alten Kameras. Weil es dieser eine Moment ist, der zählt: Wenn
für den Bruchteil einer Sekunde alles stillsteht, ich loslasse – und das Bild
entsteht.