Die Pentaconsix TL Mittelformatkamera
August 5, 2025Mittelformatfotografie mit der Pentacon Six TL
Die Pentacon Six TL ist für mich eine besondere Kamera – sie war mein Einstieg in die analoge Mittelformatfotografie. In diesem Beitrag möchte ich meine Erfahrungen schildern, ein paar Tipps geben und erklären, warum diese DDR-Kamera auch heute noch eine spannende Wahl ist.
Meine erste analoge Kamera war eine russische Zenit ET – ein Tank von einer Kamera. Dass sie mein Einstieg wurde, lag einfach daran, dass sie günstig war, der Verkäufer überzeugend auftrat und ich nicht viel Geld ausgeben wollte, um mich an der analogen Fotografie auszuprobieren.
Ich mochte das massive, klobig-schwarze Gehäuse und das Gefühl in der Hand. Leider hat die Kamera nicht lange gehalten – durch meine eigene Unerfahrenheit (die Kamera konnte nichts dafür) zerstörte ich den Verschluss komplett. Totalschaden. Aber ich hatte erste brauchbare analoge Bilder geschossen – und war von der analogen Fotografie nicht mehr loszukriegen.
Es folgte eine Praktica Super TL1000, später eine Werra 5. Ich machte Fortschritte, lernte, probierte, tastete mich weiter hinein – und irgendwann landete ich bei der Pentacon Six TL und beim Mittelformat.
Natürlich hatte ich in der Zwischenzeit Foren durchstöbert, Gespräche mit Freunden und Bekannten geführt und versucht, so viel wie möglich über Fotografie zu lernen. Eine Aussage eines erfahrenen Bekannten ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben:
„Lass bloß die Finger weg von den Ost-Kameras!“
Diese pauschale Warnung hat mich gestört.
Denn erstens hatte ich bis dahin fast nur Kameras aus der DDR benutzt – solide, funktional, und ich hatte mit ihnen gute Bilder gemacht. Und zweitens mochte ich diese undifferenzierte Abwertung nicht. Ich dachte an Helga Paris, Uwe Steinberg oder Roger Melis – großartige Fotograf*innen, die sicher nicht mit Schrottkameras gearbeitet hatten. Auch Carl Zeiss Jena genoss einen internationalen Ruf, weit über die Grenzen hinaus.
Mir geht es dabei nicht um eine Ost-West-Diskussion. Ich bin im Westen aufgewachsen, und natürlich hätte ich auch gern eine Nikon, Hasselblad oder Leica gehabt – fantastische Kameras. Aber gute Ingenieurskunst einfach nicht anzuerkennen, nur weil sie aus dem „Osten“ kommt, fand ich unfair.
Als ich dann vor einiger Zeit meine Mamiya RB67 zur Reparatur brachte, fragte ich den Fachreparateur meines Vertrauens, ob er auch Pentacon Six TLs reparieren würde. Er zog die Augenbrauen hoch – ich rechnete schon mit dem üblichen Vortrag über „Problemkameras“. Stattdessen sagte er:
„Ja klar, die Pentacon Six ist eine tolle Kamera. Die mussten sich damals echt was einfallen lassen in der DDR. Ich ziehe den Hut vor den Kollegen in Dresden. Die Kamera kann man gut reparieren – und Ersatzteile gibt es auch heute noch.“
Diese Worte haben mich gefreut. Und sie brachten mich dazu, darüber nachzudenken, was mir diese Kamera bedeutet. Denn sie war für mich nicht nur ein Werkzeug, sondern auch ein Weggefährte mit Höhen und Tiefen.
Stolpersteine
Die analoge Fotografie ist ein Weg – manchmal beschwerlich, voller Umwege und Rückschläge. Besonders, wenn man mit alten Kameras arbeitet, die schon 20, 30 oder gar 50 Jahre auf dem Buckel haben. Als Einsteiger sucht man günstige Modelle, und kaum eine Kamera ist frisch revidiert. Typische Probleme sind ungenaue Verschlusszeiten, bröselige Lichtdichtungen oder eine nicht mehr exakte Filmebene. Für Anfänger sind die Folgen frustrierend: falsch belichtete Bilder, Lichtlecks oder unscharfe Aufnahmen.
Mein Tipp: Wenn möglich, gleich eine revidierte Kamera kaufen oder die Kosten für eine Revision im Hinterkopf behalten. Übrigens – selbst bei Kameras von Mamiya, Yashica oder Leica hatte ich ähnliche Probleme. Alte Technik hat einfach ihre Eigenheiten.
Die Pentacon Six TL – Eckdaten
Die Pentacon Six TL ist eine Mittelformatkamera für 6x6-Fotos. Trotz ihrer Größe lässt sie sich ähnlich handhaben wie eine Kleinbildkamera. Ein großer Pluspunkt sind die hervorragenden Objektive zu fairen Preisen: etwa das Flektogon 50mm f/4, das Sonnar 180mm f/2.8 oder das Biometar 120mm f/2.8.
Das Zubehörprogramm ist vielfältig. Neben wechselbaren Mattscheiben gibt es Lupenaufsätze für präzises Scharfstellen, einen TTL-Prismenaufsatz mit Belichtungsmesser (der allerdings eine passende Batterie braucht), Winkelsucher, Einstellfernrohre, Gegenlichtblenden und eine Bereitschaftstasche. Ich selbst arbeite lieber mit externen Belichtungsmessern.
Die Kamera nimmt 120er und 220er Rollfilm. Auf einen 120er Film passen 12 Bilder – manchmal auch 13, wobei die Abstände dann sehr knapp werden. Hergestellt wurde die Pentacon Six TL vom VEB Pentacon Dresden, ab 1966 bis zur Wende. Manche Modelle wurden noch 1991 aus Restbeständen zusammengesetzt.
Über die Seriennummer lässt sich ungefähr das Baujahr bestimmen; sie findet sich am Kameraboden oder innen hinter dem Rückendeckel. Ganz durchsichtig ist das System aber nicht. Hilfe gibt es online, z. B. hier: pentaconsix.com.
In der Praxis
Die Pentacon Six TL verlangt Sorgfalt. Schon beim Filmeinlegen sollte man genau nach Anleitung vorgehen, sonst drohen Probleme beim Transport. Den Spannhebel nie „flitschen“ lassen – so verlockend es auch ist –, sonst riskiert man Überlappungen der Bilder.
Sinnvoll ist es auch, die Verschlusszeiten zu überprüfen und die Kamera regelmäßig warten zu lassen. Langsame Zeiten bis 1/60 Sekunde lassen sich grob selbst testen: Objektiv abnehmen, Rückwand öffnen, viel Licht von vorn, und dann im „B“-Modus oder bei kurzen Zeiten durch den Schlitz schauen. Für schnelle Zeiten braucht es allerdings Fachpersonal mit Messgerät. Ebenso sollte man die Lichtdichtungen kontrollieren – wenn sie bröselig sind, austauschen lassen.
Ich selbst hatte zu Beginn Verschlusszeiten, die jenseits jeder Plausibilität lagen, und auch mit dem Filmtransport so manche Panne. Ganze Filme waren unbrauchbar. Aber immer wieder gelangen mir auch richtig gute Aufnahmen. Und diese Erfolgserlebnisse haben mich motiviert, dranzubleiben.
Meine Verbindung zur Kamera
Genau darin liegt für mich der Reiz der Pentacon Six TL: Sie hat mir viel abverlangt, aber auch viel geschenkt. Rückschläge und Erfolge lagen dicht beieinander – und die gelungenen Bilder haben mich jedes Mal aufs Neue verblüfft.
Heute nutze ich sie am liebsten für Porträts und Landschaften. Für Porträts greife ich zum Sonnar 180mm f/2.8, für Weitwinkelaufnahmen zum Flektogon 50mm. Aber auch das Tessar 80mm oder das Biometar 120mm liefern großartige Ergebnisse.
Wer sich tiefer für die Geschichte und Technik der Pentacon Six TL interessiert, findet hier eine fundierte Quelle: zeissikonveb.de.
Praktische Tipps und fotografische Hinweise gibt es zudem im Buch Pentacon Six von Ursula Petsch, das man mit etwas Glück auch als Zugabe beim Kauf der Kamera erhält.
Für mich hat die Pentacon Six TL einen besonderen Stellenwert – trotz ihrer Eigenheiten und des Wartungsaufwands. Sie ist ein Oldtimer. Und mit Oldtimern fährt man eben nicht nur, man erlebt. Genau das macht für mich den Reiz aus. Und am Ende zählt vor allem eines: der Spaß an der Fotografie.